Das Mietshäuser Syndikat

Wer und was steckt dahinter?

Derzeit 135 eigenständige Hausprojekte und 16 Projektinitiativen bilden einen festen Verbund. Dieser Verbund nennt sich Mietshäuser Syndikat, das es sich bei allen Projekten um Mietshäuser handelt, die vom Hausverein an die Bewohner*innen vermietet und von diesen selbstverwaltet geführt werden. Die Projekte sind bundesweit verstreut. Sie unterscheiden sich in Größe, Lage, Entstehungsgeschichte oder auch in der politischen und sozialen Zielsetzung. Der Beweggrund, der jedoch allen gemeinsam ist, ist der Wunsch nach selbstbestimmtem, meist gemeinschaftlichem Wohnen, ohne Gefahr, den Lebensraum wegen eines Hausverkaufs, einer Umnutzung oder stark steigenden Mieten zu verlieren. Die derzeit kleinste Immobilie ist ein Einfamilienhaus für sechs Personen, die größte Immobilie besteht aus vier ehemalige Kasernengebäuden und bietet Platz für 260 Bewohner*innen.

GmbH-Gründung gegen Privatisierung

Die Hausprojekte im Mietshäuser Syndikat sind von der Idee her genossenschaftliche Projekte. Trotzdem wurde bei der Erarbeitung des Organisationsmodells Anfang der 90er Jahre nicht die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) gewählt, sondern die einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Dafür gibt es viele Gründe: Einzelgenossenschaften lassen sich nicht miteinander verknüpfen wie GmbHs im Syndikatsmodell und eine Dachgenossenschaft, der alle Häuser gehören, ließe den einzelnen Hausprojekten zu wenig eigenen Spielraum. Außerdem ist die Rechtsform eG durch eine komplizierte Gründung und Kontrolle durch den Genossenschaftsverband schwerer zu handhaben. Umso mehr freute sich das Mietshäuser Syndikat als es 2012 mit dem Klaus-Novy-Preis für Innovationen beim genossenschaftlichen Bauen und Wohnen ausgezeichnet wurde.

Was ist, wenn Hausprojekte, die in die Jahre kommen und über nennenswerte ökonomische Spielräume verfügen, den Solidartransfer kündigen und sich aus dem Verbund verabschieden wollen? Besonders fatal wäre es, wenn kollektives Eigentum nach Jahren oder Jahrzehnten entgegen den besten Absichten und Festlegungen der Gründer*innengeneration gewinnbringend verkauft und/ oder privatisiert würde. Auch hier hilft die Rechtsform der GmbH. Jede Haus-GmbH hat zwei Gesellschafter: den Verein der Bewohner*innen und das Mietshäuser Syndikat. In bestimmten Angelegenheiten wie Hausverkauf, Umwandlung in Eigentumswohnungen oder ähnlichen Zugriffen auf das Immobilienvermögen hat das Mietshäuser Syndikat als Gesellschafter ein Stimm- und Vetorecht. Der Hausverein könnte zwar seine Gesellschaftsbeteiligung kündigen und aussteigen. Auch in diesem Fall bleibt das Syndikat aber Gesellschafter und die Haus-GmbH samt Immobilienvermögen im Solidarverbund mit den anderen Projekten. Da im Gesellschaftsvertrag vereinbart wird, dass bei Ausstieg kein Anspruch der Gesellschafter auf Anteile an der Wertsteigerung besteht, die die Immobilie durch den Markt erfährt, besteht keine finanzielle Gefährdung des Projekts und auch keine Gefahr der persönlichen Bereicherung der Vereinsmitglieder durch Ausbezahlung des Hausvereins. Sogar die Rückzahlung des einbezahlten Anteils am Stammkapital der Haus-GmbH wird ausgeschlossen. Der wirtschaftliche Anreiz zum Ausstieg ist damit für den Hausverein wie für das Syndikat nicht gegeben. Ausgeschlossen ist im Gesellschaftsvertrag auch die „feindliche Übernahme“, d. h. der Verkauf eines GmbH-Anteils gegen den Willen des anderen Gesellschafters

Selbstorganisiert wohnen – solidarisch organisiert

Als Verbund unterstützt das Mietshäuser Syndikat aktiv und solidarisch die Schaffung von mehr bezahlbarem, selbstverwaltetem Wohnraum. Zu dieser Zielsetzung verpflichtet sich jede Initiative mit der Aufnahme ins Mietshäuser Syndikat.

  • Expert*innen aus etablierten Altprojekten beraten ehrenamtlich neue Projektinitiativen und stellen ihr Knowhow zur Verfügung: Man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden.
  • Die Altprojekte transferieren Überschüsse zu Gunsten neuer Projekte. Überschüsse entstehen, da die Bewohner*innen immer Miete bezahlen, auch wenn durch die allmähliche Tilgung der Kredite die Zinslast bei Altprojekten erheblich niedriger ist und von Jahr zu Jahr stärker sinkt.
  • Umgekehrt kann der Kontakt mit jungen, dynamischen Projektinitiativen wieder Bewegung, neue Ideen und frischen Wind in so manches Altprojekt bringen.

Entscheidungen, die alle Projekte betreffen, werden im Mietshäuser Syndikat auf den je nach Bedarf drei- bis viermal im Jahr stattfindenden Mitgliederversammlungen basisdemokratisch mit Vertreter*innen aller Projekte gefällt. Diese Mitgliederversammlungen gehen über ein Wochenende und bieten Raum für Austausch, Beratung, Workshops, gegenseitige Hilfen und nicht zuletzt auch das Kennenlernen von Menschen aus anderen Projekten oder Einzelmitgliedern. Darüber hinaus beschäftigen sich Arbeitsgruppen ganzjährig mit verschiedenen strukturellen Themen und es besteht eine enge regionale Vernetzung, die sogenannte „Regionalkoordination“: Hier unterstützen sich alte und neue Projekte direkt vor Ort, verpflichtende Treffen finden mindestens im Monatsrhythmus statt.

Der Verbund des Mietshäuser Syndikat wächst seit der Gründung von 1992. In Tübingen gibt es bereits sechs realisierte Projekte: Das Vier-Häuser-Projekt, die Bläsikelter, die Hegel 7, die Lu 15, das Wohnprojekt Schellingstraße und das Wohnprojekt Tante Huber.

Und wie funktioniert das mit dem Geld?

Häuser und Grundstücke sind – besonders in Ballungsgebieten – sehr teuer. Ein Mietshausprojekt braucht zu Beginn also sehr viel Geld. Dafür leihen sympathisierende Privatpersonen oder Gruppen den Haus-GmbHs direkt Geld, ohne den Umweg über eine Bank. Diese Art der Finanzierung nennt sich Direktkredit. Von vielen Banken wird dieses direkt geliehene Geld als Eigenkapitalersatz akzeptiert. Die Vorteile der Direktkreditgeber*innen sind: Sie wissen, was mit ihrem Geld passiert, es handelt sich um eine solidarische Unterstützung des Mietshäuser Syndikats und eine soziale Form der Geldanlage. Allerdings sind Direktkredite als Nachrangdarlehen nicht risikofrei. Hausprojekte sind keine Banken und können auch keine entsprechenden Sicherheiten bieten; auch wenn sich die Syndikatsidee bisher als Erfolgsmodell erwiesen hat, kann ein Scheitern nie ausgeschlossen werden.

Bedingung für eine Aufnahme ins Mietshäuser Syndikat ist jedoch ein solider Finanzierungsplan. Den verlangt auch die Bank, bei der die Restsumme dann als Kredit aufgenommen wird. Immobilienfinanzierung ist bei den meisten Banken gern gesehen, da einerseits eine Grundbuchabsicherung des Bankkredits im schlimmsten Fall einen Zugriff auf die Immobilie erlaubt und andererseits die Mieteinnahmen eine recht stabile Einnahmequelle darstellen: Das Risiko für die Banken ist daher recht überschaubar.

Weitere Informationen, Pressestimmen und Publikationen finden Sie auch unter www.syndikat.org.

Stand: 14.11.18

Anmerkung: Dies ist eine gekürzte Version der Texte und Informationen, welche unter www.syndikat.org und in der aktuellen Syndikatsbroschüre nachzulesen sind.